Vor
einer Weile sollte ich meinen 2. Zwischenbericht für die Freunde der
Erziehungskuns schreiben, nun werde ich ihn in etwas erweiterter Form
auch hier veröffentlichen.
Viel
Freude beim Lesen.
Meine
2.Klässler sind nun 3.Klässler und das macht tatsächlich einen
großen Unterschied, sie sind nach den langen Ferien alle ein großes
Stück reifer zurückgekommen, und sie haben jetzt insgesamt viel
mehr Unterricht und weniger Zeit zum freien Spielen. Es sind Musik
und Eurythmieunterricht dazugekommen.
Aber
konkret zu meiner Arbeit mit ihnen, ich habe mich entschieden sie
jetzt in Zweierpaaren jeweils ungefähr 40 min zu unterrichten. Sie
haben sich alle sehr gefreut jetzt einen Kameraden dabei zu haben,
bei einigen ist das aber zu Chaos ausgeartet, deswegen war ich die
ersten Wochen manchmal ganz schön überfordert, und musste diese
Paare etwas tauschen und im Moment habe ich 5 Kinder, die ich lieber
noch alleine unterrichte. Nach einigen Wochen habe ich gemerkt, dass
ich an meiner Unterrichtsart auch grundlegend etwas ändern muss und
jetzt war ich fleißig am überlegen, wie ich das Spielen nach Noten
einführen kann und am Notenschreiben. Das klappt nun erstaunlich gut
und ich bin wirklich froh diesen Schritt gegangen zu sein, es ist
toll zu sehen, wie die Kinder sich bemühen, die Noten und das, was
sie auf der Geige schon kennen zusammenzubekommen und sich freuen
wenn sie es verstehen und es Sinn ergibt, auch wenn es erst einmal
nur leere Saiten waren.
Mit
ungefähr der Hälfte der Kinder habe ich es jetzt schon geschafft
ein kleines Lied wie „Brilha brilha estrelinha“ Melodie von
„Morgen kommt der Weihnachtsmann“ zu spielen. Manchmal wollen
einige nicht mit zum Geigenunterricht, weil sie in der Pausenzeit
lieber spielen wollen, aber wenn ich wie letztens tatsächlich mal
einen Tag krank war werde ich dann wenn ich wieder da bin die ganze
Zeit gefragt warum ich nicht da war um Stunde mit ihnen zu machen und
wann sie dann endlich wieder haben… ;)
Eine
weitere Veränderung in Bezug auf meine Klasse ist, dass ich jetzt
immer mittags bei ihnen esse. Das heisst, ich gebe mit den
Lehrerinnen das Essen mit aus, dann singen wir noch einige Lieder,
beten und essen dann alle und eigentlich soll es still sein, aber so
ganz klappt das nach einigen Minuten meistens nicht mehr und von den
Kindern die um mich herum sitzen werden mir Fragen gestellt oder
kleine Dinge erzählt, da bin ich immer in einer Zwickmühle zwischen
wirklichem Interesse mit ihnen zu reden und sich aber auch an die
Regeln zu halten ;) Danach wird abgespühlt und dann gehe ich noch
kurz in meinen Geigenunterrichtsraum zurück, schreibe was über die
Unterrichte auf, bereite vor und schon ist es 13:00 und es gehts
weiter mit den nächsten Kindern.
Es
ist ein bisschen verrückt, ich habe nun insgesamt 41
Geigenschüler/innen. 29 davon aus der Schule, da ich noch drei
4.Klässler unterrichte, die erst dieses Jahr dazu gekommen sind.
Meistens sind einige pro Woche nicht da aber es ist echt viel und
nach einem Arbeitstag bin ich schon recht erschöpft.
Donnerstags
habe ich jetzt angefangen in meiner Klasse Englischunterricht zu
geben. Das ist eine wirklich große Herausforderung und tatsächlich
auch immer wieder eine Überwindung. Einige gute Unterrichtsstunden
habe ich nun schon hinbekommen, aber manchmal ist auch schon richtig
Chaos ausgebrochen und eine der Klassenlehrerinnen kam und musste für
Ruhe sorgen. Erst habe ich versucht die ganze Stunde nur Lieder und
Verse zu machen, aber das hat sich Nachmittags, als schwierig
herausgestellt und so haben wir jetzt angefangen auch kleine Dinge
aufzuschreiben. Für einige Kinder (8) die mit dem Schreiben und
Lesen selbst auf Portugiesisch noch unsicher sind ist das vielleicht
nicht ganz das Richtige, aber allgemein zentriert das hinsetzten und
etwas auf Papier bringen sehr und ein bisschen mit malen
verpackt, denke ich, dass ich es jetzt gut weiter schaffen werde mit
dem Englischunterricht. Ich habe nicht diese Autoritätsstärke, die
die beiden Klassenlehrerinnen haben, aber mit kleinen Tricks kann ich
es schon schaffen die ganze Klasse zum mitmachen zu bringen. Der
Englischunterricht ist meine größte Herausforderung hier, aber wenn
tatsächlich etwas klappt ist es wirklich toll. Das Gefühl, dass
gerade 26 Kindern, die eigentlich nur Portugiesisch sprechen gerade
auf Englisch mit mir etwas singen, (was auch gar nicht meine Sprache
ist, sondern eine Sprache wo ich unsicher bin und die mir fremder ist
als Portugiesisch selber) ist schon verrückt, aber ziemlich cool ;)
Dieses
Semester habe ich außerdem den Entschluss gefasst, es doch noch
einmal auszuprobieren mit den Kleinkindern in der Crêche zu
arbeiten.
Als
ich damals mein Rodízio dort gemacht habe, war ich komplett
überfordert, wusste nicht was ich mit diesen kleinen Kindern
anstellen sollte, habe nicht richtig verstanden, was die
Erzieherinnen zu mir gesagt haben und fand es schrecklich, dass so
viel geweint wurde, dort wollte ich auf jeden Fall nicht weiter
arbeiten.
Nun
wollte ich dieses Jahr aber nicht komplett verstreichen lassen, ohne
doch noch näher die Erfahrung zu machen und mich dort irgendwie
hineinzufinden. Jetzt bin ich also immer freitags den ganzen Tag in
den Crêche. Den ersten Tag war ich bei den 3jährigen und das
war ein richtiges Aha Erlebnis, ich konnte verstehen, was die
Erzieherin mir erklärte, was die Kinder mir kleines sagen wollten
und war plötzlich ganz fasziniert von ihrer kleinen Welt. Mir hat es
richtig Freude gemacht mit ihnen zu spielen, die Blicke zu suchen und
zu lachen. Einmal hat mich Christina sogar eine Weile alleine mit 10
Kindern beim Essen gelassen und ich habe einfach weiter gesungen und
habe es geschafft die Gruppe zu halten. Die letzten Wochen war ich
allerdings dann bei noch einer jüngeren Gruppe von 1-2jährigen,
manche laufen noch nicht richtig und sie sind alle zum ersten Mal den
Tag von zu Hause weg. Am Anfang wurde sehr sehr viel geweint und
die Kinder haben sich nur auf dem Arm beruhigt, aber jetzt nach
einigen Wochen spielen die meisten echt friedlich und ich bin am
entdecken, kleine Spiele mit ihnen zu finden. Mit den ganz kleinen
ist es für mich noch nicht leicht, da sie nicht wirklich reden und
ich mich deswegen auch nicht wirklich traue sicher mit ihnen zu
reden, obwohl sie ja gut verstehen, aber so suche ich mehr Spiele
über Blickkontakt. Es ist interessant einmal die Woche einen so ganz
anderen Tag zu haben, so ganz andere Menschen, eine so andere Art in
Kontakt zu treten. Ich freue mich auf den Tag in der Crêche. Ein
großer Teil meiner Aufgabe ist es dort auch abzuspülen und beim
Putzen zu helfen. Wir haben nämlich 5 Malzeiten und so fällt viel
praktische Arbeit an. Das ist sehr angenehm, ich habe was sinnvolles
zu tun und kann etwas entspannen von der Verantwortung den ganzen
Rest der Woche Unterricht zu geben.
Zurück
zum Geigenunterricht. Nach den Ferien habe ich mit vielen neuen
Jugendlichen aus den Hortgruppen angefangen. Die
Meisten morgens, noch bevor ich mit meiner Klasse anfange, aber
einige auch Nachmittags noch danach. Der Unterricht mit ihnen macht
mir sehr viel Freude, da es etwas ganz neues für sie ist und
sie so motiviert sind. Für einige ist die Erfüllung eines Traumes,
die Geige zu halten und darauf spielen zu können. Ich habe jetzt
eine Geige oben im Büro deponiert, die sie sich immer ausleihen
können wenn sie freie Zeit haben. So viel wird das noch nicht
ausgenutzt, weil es für sie natürlich schwer ist, sich aus der
Freundesgruppe rauszulösen um etwas eigenens zu machen, aber
manchmal höre ich jetzt von Ferne feine Geigenklänge :)
Aber
auch wenn sie nur einmal die Woche im Unterricht spielen kommen wir
gut voran. Es ist toll ihren Ehrgeiz zu sehen und zu unterstützen,
wenn sie immer noch mal spielen wollen, bis es wirklich gut wird.
Letzte Woche meinte ein Junge, als schon die nächste Schülerin
reinkam „Mensch die Zeit vergeht einfach viel zu schnell in diesem
Raum!“ wir hatten Unterricht noch vor seinem Frühstück gemacht ;)
Mit
den Jugendlichen habe ich jetzt vor in die Sala Sao Paulo im
Stadtzentrum zu einem Konzert von einem großen Orchester zu
gehen. Dieses Wochenende werden wir zum ersten Mal gehen
(Sonntags gibt es dort immer kostenlose Konzerte) und sie freuen sich
schon sehr drauf. Die meisten von ihnen sind fast nie im Zentrum
gewesen, geschweige denn bei einem Konzert von einem Orchester.
Womit
ich mich hier generell noch mehr einbringen will ist das ganze Feld
der Handlungspädagogik, praktische Arbeit, besonders im Garten.
Viele kleinen Erlebnisse im Zusammenleben und etwas praktisches tun
mit den Kindern und der Fakt, dass es hier eigentlich zwei Gärten
gibt, wo ganz viel getan werden kann, haben mich die letzten Monate
auf die Idee gebracht dort ein Projekt auf den Weg zu bringen.
Immer
wieder erfahre ich ganz Neues, über die Menschen hier, erlebe
erschreckendes und wunderschönes. Ich möchte die nächste Zeit
gerne noch mehr auch neue Menschen kennen lernen, ihre
Lebenssituation erleben. Nach der Arbeit bin ich meistens leider so
erschöpft, dass ich froh bin mein vertrautes Umfeld in unserem Haus
zum Entspannen und Vorbereiten von Neuem zu haben. Allerdings treibt
mich immer mehr die Neugierde und ich möchte nun gerne versuchen mir
noch mehr Zeit zum Erkunden und kennenlernen von Menschen unserer
Umgebung zu nehmen.
Hauptsächlich
zwei Familien von meiner Arbeit haben sich als immer wichtiger und
Anlaufpunkte entwickelt, dort verbringe ich am Wochenende häufig
Zeit mit den unterschiedlichsten Familienmitglieder von Kindern bis
Großeltern. Mit einer der Familien war ich auch in den Ferien fast 3
Wochen im Nordosten Brasiliens in den Orten wo sie herkommen und habe
so noch sehr viel mehr über ihr Leben kennengelernt.