"Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern!!!"

Donnerstag, 26. November 2020

Abschlussbericht

 

Abschlussbericht


Jolande Bär Brasilien 2018-2020


Seit August 2018 habe ich als Freiwillige bei der Associação Communitária Monte Azul in São Paulo gearbeitet. Also insgesamt fast 1 Jahr und 8 Monate.

Gelebt und gearbeitet habe ich in Horizonte Azul, am äußersten Zipfel der Metropole São Paulo. Dort ist der südlichste der drei Projektstandorte der Associação Comunitária Monte Azul. Zwischen gedrängt bebauten Hügeln ist ein freies Grundstück, wo die Kinder die so wertvolle Möglichkeit haben frei zu spielen, auf Bäume zu klettern und sich einfach einmal auszutoben. Im Kindergarten, der Waldorfschule, den Hortgruppen und auch in den Ausbildungsprogrammen können die Kinder und Jugendlichen aus dem Viertel viel Schönes lernen und erleben.


Meine Arbeit:

Ich war hauptsächlich für den Geigenunterricht an der Escola de Resiliência zuständig (Schule der Resilienz). Zu Beginn gab ich allen 25 Kindern der 2. Klasse 30 Minuten Einzelunterricht. Da mich aber auch Kinder aus anderen Klassen und vor allen Dingen Jugendliche aus den Hortgruppen fragten, ob sie auch Geigenunterricht bekommen könnten, fing ich an die Kinder der Schule in Zweierpaaren zu unterrichten und nahm so für jede freie Zeit, die ich hatte immer mehr neue Schüler dazu. Ich war so begeistert von allen meinen Schülern, ihrer Freude, ihrem Ehrgeiz und ihrer ganz eigenen Persönlichkeit. Das Unterrichten war nicht immer einfach. Jede Stunde war eine Herausforderung und besonders für die kleineren Kinder habe ich lange überlegt und ausprobiert, um Wege zu finden ihnen die Musik und das Geigespielen näher zu bringen. Zwischenzeitlich hatte ich bis zu 40 Schüler pro Woche. Das ist echt viel und nach einem Arbeitstag war ich immer sehr erschöpft, aber ergriffen von den vielen schönen kleinen Augenblicken des Unterrichts. Es ist eine sehr erfüllende Arbeit, diesen ganz direkten Kontakt und die Interaktion mit den Kindern und Jugendlichen zu haben, zu sehen was Erstaunliches in einer Unterrichtsstunde passieren kann und wie sie es dabei schaffen über sich hinauszuwachsen.

Die Gemeinschaft:

Ich hatte zwar hauptsächlich meine ganz eigene Arbeit aber konnte trotzdem einen guten Kontakt zu vielen anderen Mitarbeitenden von Horizonte Azul aufbauen, denn die Atmosphäre dort ist sehr offen und freundlich. Oft bin ich noch etwas länger geblieben, habe mit den Lehrer*innen und Erzieher*innen über die Kinder und den Unterricht geredet oder auch mal ein neues Lied geübt. Einmal die Woche gibt es in Horizonte eine Versammlung aller über 100 Mitarbeitenden, der Administration, der Rezeption, der pädagogischen Bereiche, der Freiwilligen und aller Menschen die in den Küchen kochen, das Gelände im Stand halten, putzen oder den Eingang beaufsichtigen. Zusammen wird gesungen, organisiert, über ein neues Thema diskutiert oder einmal im Jahr auch ein Theaterstück eingeübt. Jeder Arbeitsbereich hat dann auch noch eigene Versammlungen und Arbeitsgruppen, wo Detaillierteres besprochen und Neues gelernt werden kann. All dies macht Horizonte Azul zu einem unglaublich offenen, aktiven, ja pulsierenden Ort. Einem Ort der Menschen Wege und Möglichkeiten schenkt. Möglichkeiten sich weiter zu entwickeln, Gemeinschaft und Freiheit zu spüren. Mensch zu sein.

Zeitstrahl:

Als ich in Brasilien ankam, war ich doch sehr eingeschüchtert, von der Kraft und Energie der Menschen, dem Fakt die Sprache noch nicht zu verstehen und mich nicht richtig ausdrücken zu können. Die Kinder haben mich aber direkt mit hinein genommen und so bin ich schnell aufgetaut, habe immer mehr sprechen gelernt und bin in meine Aufgabe des Unterrichtens hineingewachsen. Mit der Zeit bin ich immer mehr aufgeblüht, habe mich hineintreiben lassen in das Leben und habe so unglaublich viel erleben dürfen, durch die Menschen, die mich einfach in ihr Alltagsleben mitgenommen haben. Ein Schlüsselmoment war für mich ich in den Ferien im Januar, wo ich von einer Familie mit aufs Land in den Nordosten genommen wurde. Dort und durch den ganz persönlichen Kontakt mit den Menschen hatte ich das Gefühl nun richtig anzukommen in Brasilien und als ich dann zurück nach São Paulo kam, hatte ich das Gefühl dort wirklich zu Hause zu sein. Immer gab es auch Schwierigkeiten und Hürden zu überwinden, aber ich habe Alles mit großer Begeisterung, Energie und Tatendrang angenommen. Hatte viele Ideen für neue Projekte und wollte diese auch umsetzten. Dafür kam mir ein sehr offener Raum entgegen und so fasste ich den Entschluss meinen Freiwilligendienst um ein zweites Jahr zu verlängern. Bei der Arbeit wurde ich immer sicherer und präziser vor Allen Dingen im Geigenunterricht, welcher mir sehr wichtig war und in dessen Vorbereitung ich viel Zeit gesteckt habe. Neben diesem habe ich auf der Arbeit viele unterschiedliche Tätigkeiten ausprobiert, das Mitarbeiten in der Kinderkrippe mit den ganz Kleinen und auch in den Hortgruppen war ich immer mehr dabei und habe ab dem zweiten Jahr neben meinem Geigenunterricht und dem Gartenprojekt in wechselnden Gruppen als Unterstützung der Erzieher*innen mitgearbeitet. Mittendrin im Lebensstrudel hatte ich in kleinen Momenten Sehnsucht nach Ruhe, tiefgründigeren Gesprächen, einfach dem Gefühl der Freiheit in Deutschland zu sein, aber ich habe sie meistens schnell wieder weg geschoben und tatsächlich konnte ich mir ein Leben ohne Brasilien ohne all den Trubel, die Nähe zu den Menschen und die Arbeit nicht mehr vorstellen. So habe ich mich immer weiter hinein gelebt, in das brasilianische Leben. Arbeit, Familien und Liebesleben und all dies ohne Pause, so habe ich gar nicht bewusst gemerkt, wie es anfing mir alles über den Kopf zu wachsen, bis ich tatsächlich so erschöpft fast vor dem Zusammenbrechen stand. Immer noch der Meinung ich könnte es schaffen, müsste mich nur mehr bemühen und anstrengen. Das waren schwere Momente des Versuches wieder Kraft zu schöpfen und doch noch Alles zu einem Abschluss bringen zu können, was ich auf der Arbeit begonnen hatte. Momente in denen ich mir eingestehen musste, dass ich alleine mit meinem Gartenprojekt nicht weiterkomme, überfordert bin, dass ich mich nicht ausgebildet fühle. Ersteinmal selber lernen muss, ganz für mich. Auch dass ich manchmal noch nicht die Kraft habe Gruppen zu führen und vor Allen Dingen nicht in Gebieten, in denen ich selber unsicher bin. So habe ich doch wieder hauptsächlich Geige unterrichtet als Einzelunterricht, etwas was gut und sicher klappt. Doch hatte ich das Gefühl, dass mir dabei langsam die Luft ausging. Nach Eineinhalb Jahren unterrichten war ich mir dann sicher, dass ich etwas Neues in meinem Leben brauchte, dass eigentlich nach all dem Ausatmen der Moment gekommen war wieder einzuatmen, Luft zu holen und Neues zu lernen. Deswegen haben wir zusammen die Entscheidung getroffen, dass ich ab dem neuen Jahr im Februar nicht mehr unterrichten, sondern nur noch praktisch im Garten mitarbeiten werde. Das ganz handfeste Tun, das draußen sein in der Natur und das Zusammenarbeiten mit dem Mitarbeitern des bio-dynamischen Gartens hat mir sehr gut getan. Aber durch den vorigen Stress und die kompliziertere Familiensituation in welche ich hinein gerutscht war, fühlte ich mich trotzdem häufig sehr erschöpft und nach dem Rückruf Ende März wurde mir klar das es tatsächlich Zeit für mich war, nach Deutschland zurück zu kommen. Dort angekommen, habe ich noch einige Monate gebraucht um auf zu atmen, mich zu ordnen, wiederzufinden, Kraft zu schöpfen, einen Abschluss zu finden und wirklich ein neues Kapitel anfangen zu können.



Sternenmomente:

Über die ganze Zeit verteilt gab es viele wunderbare Momente aber von 3 kleinen möchte ich kurz berichten.

Für die Jugendlichen die bei mir Geigenunterricht hatten, habe ich im Mai einen Ausflug in das Konzerthaus die Sala São Paulo organisiert, wo wir ein Konzert von einem Sinfonieorchester erleben konnten. Als wir dann nach langer Reise in dem Saal saßen, komplette Stille herrschte, das Orchester anfing gefühlvoll und impulsiv zu spielen, und ich die weit geöffneten Gesichter sah, kamen mir vor Berührung die Tränen. Mit den Erzieherinnen haben wir diesen Ausflug in weiteren Gruppenformationen dann noch zwei Mal wiederholt.

Ende Juni, vor den großen Winterferien, habe ich mit der 3. Klasse den Abschluss des Geigenunterrichtes vorbereitet. Wir haben ein Konzert für die Eltern organisiert und als es soweit war, war ich mindestens genauso aufgeregt wie die Kinder selber. Alle haben ein kleines eigenes Stück vorgespielt. Mit der Aufregung der Kinder, der Freude der Eltern und dem Wissen, gerade ein Jahr meiner Arbeit abzuschließen, war das ein starkes Gefühl.

Zur Weihnachtszeit in meinen zweiten Jahr haben wir mit den Mitarbeitenden ein Weihnachtstheater (das Christgeburtsspiel) einstudierten, was ich schon aus Deutschland kannte. Dieses Mal hatte ich große Lust eine Rolle zu spielen und übernahm so den João, einen Hirten. Das Einstudieren und schließlich die Aufführungen bei denen wir ein richtiges Fest auf der Bühne veranstalteten, haben mir unglaublich viel Spaß gemacht und es war für mich ein besonders schönes Gefühl wirklich mittendrin zu sein zwischen allen Mitarbeitenden von Horizonte Azul.



Zukunftsblick:

Seit September studiere ich Eurythmie an der Alanus Hochschule in Alfter. Nebenbei arbeite ich

für das Institut für soziale Dreigliederung Berlin, wo ich nun den Versand der Bücher des Verlages organisiere. So ist mein Leben doch schon wieder dicht bestückt und ausgefüllt mit unterschiedlichen Tätigkeiten.

Das Studium gefällt mir sehr gut und ich bin unglaublich dankbar die Möglichkeit zu

haben mich so intensiv mit den Themen Bewegung, Tanz, Körper, Sprache und vielem mehr

beschäftigen und all dies im Praktischen erleben zu können.

Nach den letzten 2 Jahren in denen ich doch hauptsächlich im „Außen“ gelebt habe ist es für

mich ein großes Geschenkt jetzt intensiver nach „Innen“ zu blicken. Spüren zu lernen und die

Zeit und Möglichkeit zu haben neue Fähigkeiten auszubilden.









                                    Mitarbeitende, Kinder und Freiwillige nach dem Unterricht


                                            Adventsspirale von uns Freiwilligen organisiert



Mit der 3. Klasse



 
                                                        Ausflug in die Sala São Paulo




Festa Junina


Im Garten mit der 3. Klasse





Montag, 3. Juni 2019

Noch ein Jahr?



Einige haben es vielleicht schon munkeln hören....

Ja! ich habe mich nun tatsächlich dafür entschlossen noch ein 

zweites Jahr hier zu bleiben um meine Arbeit zu vertiefen und weiter 

auszubauen.



Der Text ist schon vor über einen Monat entstanden, also hat sich seit dem schon wieder viel getan. Einige meiner Ideen und Pläne sind sogar schon Realität geworden und andere ganz neue wurden geboren.....

Also hier nun einen kleinen Einblick



Motivationsschreiben 


Hier in Horizonte Azul gibt es zwei Gärten, die Horta Produtiva (produktiver Garten) und die sogenannte Horta Educativa (edukativer Garten), in dem aber leider kaum Kinder zu finden sind.
Horizonte Azul ist aber natürlich voll von Kindern. Staunende, neugierige Kinder voller Interesse für die Welt und ganz besonders für alles, was man beobachten und anfassen kann. Voller Kraft und Energie, voller Drang etwas zu tun, etwas Sinnvolles zu schaffen.
Wie wertvoll und wie unglaublich wichtig ist es für die Kinder einen Bezug zur Natur zu entwickeln, zu lernen sich um sie zu kümmern. Besonders hier in der Stadt bzw. Peripherie wo so gut wie jeder Freiraum mit Müll überladen wird und die Flüsse faulig oder nach Chemie riechen…..
Vor einiger Zeit ist hier schon eine Idee geboren worden, deswegen trägt unser Garten auch den Namen Horta Educativa. Die Tür steht offen, jeder kann hereinkommen und sich umschauen und ab und zu malen Schüler die Mauern schön bunt an….
Aber die regelmäßige Zusammenarbeit mit den Kindern der Chácara ist noch recht schwach ausgebaut.
Das möchte ich gerne ändern.
Eigentlich sind alle Seiten offen und begeistert dafür, die Menschen, die in den Gärten arbeiten, so wie die Klassenlehrerinnen. Es fehlt nur noch die Verknüpfung, die Initiative und die Organisation.
Das was ich dieses Jahr hauptsächlich lerne, ist es den Mut zu haben einfach etwas auszuprobieren, zu schauen was daraus entsteht, zu reflektieren und zu verbessern.
In meinen Gebieten finde ich mich jetzt gut zurecht. Mal geht was schief, weil ich falsch einschätze, aber ich finde immer wieder einen guten Weg zu unterrichten und habe allgemein einen guten Draht zu den Kindern.
Ich habe den Traum selber das Projekt der Handlungspädagogik mit den Kindern in den Gärten zu starten und wünsche mir sehr, dass diese Vision Wirklichkeit werden kann.

Die Arbeit mit den Jugendlichen bringt mir sehr viel Freude. Es ist wunderbar ihre Faszination für die Geige zu sehen und ihre Bemühung darauf spielen zu lernen zu unterstützen. Ich bewundere die Jugendlichen, die jetzt mit dem Geigenunterricht anfangen wirklich, denn das heißt, in der Zeit zum freien Spielen Einzelunterricht zu haben, etwas Neues, noch Schwieriges zu üben, immer wieder, mit Konzentration bis es besser wird und schließlich klappt. Sie haben Ausdauer und werden richtig ehrgeizig, wollen es immer nochmal versuchen, wenn sie einen Fehler gemacht haben.
Jetzt wo ich so viele jugendliche Schüler habe (11), bin ich richtig motiviert mit ihnen etwas weiter zu entwickeln, auch mit kleinem Ensemblespiel und den Besuchen von klassischen Konzerten, was ich jetzt angefangen habe zu planen.
Es wäre echt toll, wenn diese Jugendlichen die Möglichkeit haben eine längere Zeit regelmäßig Geigenunterricht zu haben.
(was schwierig ist, wenn immer wieder neue Freiwillige kommen, die sich erst einmal langsam einfinden müssen)

Ich fühle mich hier auf der Arbeit richtig wohl, es ist etwas, was ich sehr gerne mache und wo ich gerne all meine Kraft und Zeit hinein investiere.
Es ist so schön die Entwicklungen der Kinder und Jugendlichen zu sehen, dazu beizutragen und zu spüren, wie ich mich selber dadurch entwickle, dass wir die ganze Zeit in Interaktion sind.
Über die Zeit fasse ich immer besser und besser hier Fuß, fühle mich inzwischen so zu Hause, dass ich viel mehr Energie habe, für die Arbeit und generell Kontakt zu den Menschen aufzubauen. Alles geht immer weiter Berg auf und nun wäre es optimal, die Zeit von einem weiteren Jahr für weitere Entwicklungen zu haben. Ich bin sehr motiviert hier noch vieles Neues entstehen zu lassen. Hier ist ein Ort voller Möglichkeiten und Initiativen werden gerne aufgenommen.


Dienstag, 23. April 2019

2. Zwischenbericht


Vor einer Weile sollte ich meinen 2. Zwischenbericht für die Freunde der Erziehungskuns schreiben, nun werde ich ihn in etwas erweiterter Form auch hier veröffentlichen.

Viel Freude beim Lesen.



Meine 2.Klässler sind nun 3.Klässler und das macht tatsächlich einen großen Unterschied, sie sind nach den langen Ferien alle ein großes Stück reifer zurückgekommen, und sie haben jetzt insgesamt viel mehr Unterricht und weniger Zeit zum freien Spielen. Es sind Musik und Eurythmieunterricht dazugekommen.
Aber konkret zu meiner Arbeit mit ihnen, ich habe mich entschieden sie jetzt in Zweierpaaren jeweils ungefähr 40 min zu unterrichten. Sie haben sich alle sehr gefreut jetzt einen Kameraden dabei zu haben, bei einigen ist das aber zu Chaos ausgeartet, deswegen war ich die ersten Wochen manchmal ganz schön überfordert, und musste diese Paare etwas tauschen und im Moment habe ich 5 Kinder, die ich lieber noch alleine unterrichte. Nach einigen Wochen habe ich gemerkt, dass ich an meiner Unterrichtsart auch grundlegend etwas ändern muss und jetzt war ich fleißig am überlegen, wie ich das Spielen nach Noten einführen kann und am Notenschreiben. Das klappt nun erstaunlich gut und ich bin wirklich froh diesen Schritt gegangen zu sein, es ist toll zu sehen, wie die Kinder sich bemühen, die Noten und das, was sie auf der Geige schon kennen zusammenzubekommen und sich freuen wenn sie es verstehen und es Sinn ergibt, auch wenn es erst einmal nur leere Saiten waren.
Mit ungefähr der Hälfte der Kinder habe ich es jetzt schon geschafft ein kleines Lied wie „Brilha brilha estrelinha“ Melodie von „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ zu spielen. Manchmal wollen einige nicht mit zum Geigenunterricht, weil sie in der Pausenzeit lieber spielen wollen, aber wenn ich wie letztens tatsächlich mal einen Tag krank war werde ich dann wenn ich wieder da bin die ganze Zeit gefragt warum ich nicht da war um Stunde mit ihnen zu machen und wann sie dann endlich wieder haben… ;)
Eine weitere Veränderung in Bezug auf meine Klasse ist, dass ich jetzt immer mittags bei ihnen esse. Das heisst, ich gebe mit den Lehrerinnen das Essen mit aus, dann singen wir noch einige Lieder, beten und essen dann alle und eigentlich soll es still sein, aber so ganz klappt das nach einigen Minuten meistens nicht mehr und von den Kindern die um mich herum sitzen werden mir Fragen gestellt oder kleine Dinge erzählt, da bin ich immer in einer Zwickmühle zwischen wirklichem Interesse mit ihnen zu reden und sich aber auch an die Regeln zu halten ;) Danach wird abgespühlt und dann gehe ich noch kurz in meinen Geigenunterrichtsraum zurück, schreibe was über die Unterrichte auf, bereite vor und schon ist es 13:00 und es gehts weiter mit den nächsten Kindern.
Es ist ein bisschen verrückt, ich habe nun insgesamt 41 Geigenschüler/innen. 29 davon aus der Schule, da ich noch drei 4.Klässler unterrichte, die erst dieses Jahr dazu gekommen sind. Meistens sind einige pro Woche nicht da aber es ist echt viel und nach einem Arbeitstag bin ich schon recht erschöpft.
Donnerstags habe ich jetzt angefangen in meiner Klasse Englischunterricht zu geben. Das ist eine wirklich große Herausforderung und tatsächlich auch immer wieder eine Überwindung. Einige gute Unterrichtsstunden habe ich nun schon hinbekommen, aber manchmal ist auch schon richtig Chaos ausgebrochen und eine der Klassenlehrerinnen kam und musste für Ruhe sorgen. Erst habe ich versucht die ganze Stunde nur Lieder und Verse zu machen, aber das hat sich Nachmittags, als schwierig herausgestellt und so haben wir jetzt angefangen auch kleine Dinge aufzuschreiben. Für einige Kinder (8) die mit dem Schreiben und Lesen selbst auf Portugiesisch noch unsicher sind ist das vielleicht nicht ganz das Richtige, aber allgemein zentriert das hinsetzten und etwas auf Papier bringen sehr und ein bisschen mit malen verpackt, denke ich, dass ich es jetzt gut weiter schaffen werde mit dem Englischunterricht. Ich habe nicht diese Autoritätsstärke, die die beiden Klassenlehrerinnen haben, aber mit kleinen Tricks kann ich es schon schaffen die ganze Klasse zum mitmachen zu bringen. Der Englischunterricht ist meine größte Herausforderung hier, aber wenn tatsächlich etwas klappt ist es wirklich toll. Das Gefühl, dass gerade 26 Kindern, die eigentlich nur Portugiesisch sprechen gerade auf Englisch mit mir etwas singen, (was auch gar nicht meine Sprache ist, sondern eine Sprache wo ich unsicher bin und die mir fremder ist als Portugiesisch selber) ist schon verrückt, aber ziemlich cool ;)

Dieses Semester habe ich außerdem den Entschluss gefasst, es doch noch einmal auszuprobieren mit den Kleinkindern in der Crêche zu arbeiten.
Als ich damals mein Rodízio dort gemacht habe, war ich komplett überfordert, wusste nicht was ich mit diesen kleinen Kindern anstellen sollte, habe nicht richtig verstanden, was die Erzieherinnen zu mir gesagt haben und fand es schrecklich, dass so viel geweint wurde, dort wollte ich auf jeden Fall nicht weiter arbeiten.
Nun wollte ich dieses Jahr aber nicht komplett verstreichen lassen, ohne doch noch näher die Erfahrung zu machen und mich dort irgendwie hineinzufinden. Jetzt bin ich also immer freitags den ganzen Tag in den Crêche. Den ersten Tag war ich bei den 3jährigen und das war ein richtiges Aha Erlebnis, ich konnte verstehen, was die Erzieherin mir erklärte, was die Kinder mir kleines sagen wollten und war plötzlich ganz fasziniert von ihrer kleinen Welt. Mir hat es richtig Freude gemacht mit ihnen zu spielen, die Blicke zu suchen und zu lachen. Einmal hat mich Christina sogar eine Weile alleine mit 10 Kindern beim Essen gelassen und ich habe einfach weiter gesungen und habe es geschafft die Gruppe zu halten. Die letzten Wochen war ich allerdings dann bei noch einer jüngeren Gruppe von 1-2jährigen, manche laufen noch nicht richtig und sie sind alle zum ersten Mal den Tag von zu Hause weg. Am Anfang wurde sehr sehr viel geweint und die Kinder haben sich nur auf dem Arm beruhigt, aber jetzt nach einigen Wochen spielen die meisten echt friedlich und ich bin am entdecken, kleine Spiele mit ihnen zu finden. Mit den ganz kleinen ist es für mich noch nicht leicht, da sie nicht wirklich reden und ich mich deswegen auch nicht wirklich traue sicher mit ihnen zu reden, obwohl sie ja gut verstehen, aber so suche ich mehr Spiele über Blickkontakt. Es ist interessant einmal die Woche einen so ganz anderen Tag zu haben, so ganz andere Menschen, eine so andere Art in Kontakt zu treten. Ich freue mich auf den Tag in der Crêche. Ein großer Teil meiner Aufgabe ist es dort auch abzuspülen und beim Putzen zu helfen. Wir haben nämlich 5 Malzeiten und so fällt viel praktische Arbeit an. Das ist sehr angenehm, ich habe was sinnvolles zu tun und kann etwas entspannen von der Verantwortung den ganzen Rest der Woche Unterricht zu geben.

Zurück zum Geigenunterricht. Nach den Ferien habe ich mit vielen neuen Jugendlichen aus den Hortgruppen angefangen. Die Meisten morgens, noch bevor ich mit meiner Klasse anfange, aber einige auch Nachmittags noch danach. Der Unterricht mit ihnen macht mir sehr viel Freude, da es etwas ganz neues für sie ist und sie so motiviert sind. Für einige ist die Erfüllung eines Traumes, die Geige zu halten und darauf spielen zu können. Ich habe jetzt eine Geige oben im Büro deponiert, die sie sich immer ausleihen können wenn sie freie Zeit haben. So viel wird das noch nicht ausgenutzt, weil es für sie natürlich schwer ist, sich aus der Freundesgruppe rauszulösen um etwas eigenens zu machen, aber manchmal höre ich jetzt von Ferne feine Geigenklänge :)
Aber auch wenn sie nur einmal die Woche im Unterricht spielen kommen wir gut voran. Es ist toll ihren Ehrgeiz zu sehen und zu unterstützen, wenn sie immer noch mal spielen wollen, bis es wirklich gut wird. Letzte Woche meinte ein Junge, als schon die nächste Schülerin reinkam „Mensch die Zeit vergeht einfach viel zu schnell in diesem Raum!“ wir hatten Unterricht noch vor seinem Frühstück gemacht ;)
Mit den Jugendlichen habe ich jetzt vor in die Sala Sao Paulo im Stadtzentrum zu einem Konzert von einem großen Orchester zu gehen. Dieses Wochenende werden wir zum ersten Mal gehen (Sonntags gibt es dort immer kostenlose Konzerte) und sie freuen sich schon sehr drauf. Die meisten von ihnen sind fast nie im Zentrum gewesen, geschweige denn bei einem Konzert von einem Orchester.

Womit ich mich hier generell noch mehr einbringen will ist das ganze Feld der Handlungspädagogik, praktische Arbeit, besonders im Garten. Viele kleinen Erlebnisse im Zusammenleben und etwas praktisches tun mit den Kindern und der Fakt, dass es hier eigentlich zwei Gärten gibt, wo ganz viel getan werden kann, haben mich die letzten Monate auf die Idee gebracht dort ein Projekt auf den Weg zu bringen.

Immer wieder erfahre ich ganz Neues, über die Menschen hier, erlebe erschreckendes und wunderschönes. Ich möchte die nächste Zeit gerne noch mehr auch neue Menschen kennen lernen, ihre Lebenssituation erleben. Nach der Arbeit bin ich meistens leider so erschöpft, dass ich froh bin mein vertrautes Umfeld in unserem Haus zum Entspannen und Vorbereiten von Neuem zu haben. Allerdings treibt mich immer mehr die Neugierde und ich möchte nun gerne versuchen mir noch mehr Zeit zum Erkunden und kennenlernen von Menschen unserer Umgebung zu nehmen. 

Hauptsächlich zwei Familien von meiner Arbeit haben sich als immer wichtiger und Anlaufpunkte entwickelt, dort verbringe ich am Wochenende häufig Zeit mit den unterschiedlichsten Familienmitglieder von Kindern bis Großeltern. Mit einer der Familien war ich auch in den Ferien fast 3 Wochen im Nordosten Brasiliens in den Orten wo sie herkommen und habe so noch sehr viel mehr über ihr Leben kennengelernt. 



Dienstag, 19. Februar 2019

Dezembro

Hier wurde es im Dezember immer heißer und heißer und die Stimmung hat ganz und gar nach Sommerferien gerufen. Weil es aber eben der Abschluss des ganzen Jahres ist, gab es unglaublich viel zu tun.
Wir haben mit vielen Mitarbeitern der Chácara ein Weihnachtstheater aufgeführt, eigentlich bestand es hauptsächlich aus Liedern und Tänzen und handelte von den unterschiedlichsten Menschen die zum Christuskind wandern um es zu beschenken und dort ein Fest zu feiern, es war eher fröhlich und bunt als ruhig und besinnlich, nur der Abschluss war etwas andächtiger, aber den Kindern hat es super gefallen.
Zum Jahresabschluss hatten die Kinder der 2. Klasse eine Epoche über die Geschichte des Franziskus von Assisi und dazu wurde auch ein Theaterstück aufgeführt. Ana-Elisa, die Klassenlehrerin hatte selber Lieder geschrieben und vertont und insgesamt war es ein wunderschönes Zusammenspiel von abwechselnd Singen, Sprachchor, individuellen Rollen und Abschlusstanz. Die Proben waren häufig noch etwas chaotisch aber ich war erstaunt, wie schnell die Kinder das ganze Stück auswendig konnten und wie achtsam und konzentriert sie bei den Aufführungen waren.
Ganz am Ende haben wir eine Aufführung für die Eltern gemacht, bei der alle Kinder vorher noch ein letztes Mal ihren Zeugnisspruch der 2. Klasse aufgesagt haben und danach alle Hefte und Handarbeiten ausgestellt und nach Hause mitgenommen werden durften.


Das Holzhäusschen, in dem mein Geigenunterricht stattfindet hat sich trotz aufreißen aller Fenster unglaublich aufgeheizt, die Luft stand und den Kindern und mir lief der Schweiß. Die Kinder wollten in den letzten Wochen einfach nur spielen und bei vielen war es schwer sie zum mitzukommen zu motivieren, denn die Geigenstunden bringen ihnen zwar Spaß aber sie sind auch anstrengend, weil sie alleine sind und sich konzentrieren sollen und unter diesen Umständen ist das natürlich umso schwerer.
Der Hit war Jingle Bells, ich habe den Refrain gesungen und die Melodie gespielt und sie haben abwechselnd auf der leeren G und D Saite den Rhythmus mitgespielt. (Jetzt nach den Ferien im Februar haben mich viele gefragt, ob wir es nochmal spielen können)


Dienstag, 27. November 2018

Escola de Resiliência

Vor ein paar Wochen wurde hier eine kleine Reportage über die Escola de Resiliência gedreht.
Natürlich auf Portugiesisch, aber es ist trotzdem eine gute Möglichkeit um einen Einblick in die Arbeit der Schule zu bekommen und ein bisschen von der Stimmung zu spüren.

Die Klasse, welche immer wieder in dem großen gelben Unterrichtsraum gezeigt wird, ist die 2.Klasse. Das sind also meine Geigenschüler und die beiden Lehrerinnen, mit denen ich hauptsächlich zusammenarbeite :)

Die Reportage über uns beginnt ungefähr bei Minute 17:00 und geht bis Minute 24:30
Viel Freude beim Eintauchen in unsere Arbeit hier in Horizonte Azul, weit draußen in der Peripherie São Paulos.

https://www.youtube.com/watch?v=ycfY0lM363E

Sonntag, 25. November 2018

Zwischenbericht 1


Jetzt nach 3 Monaten hier auf meiner Einsatzstelle, sollte ich für die Freunde der Erziehungskunst einen kleinen Zwischenbericht über meine Arbeitssituation und auch meine persönlich Lage schreiben. Den werde ich jetzt auch hier veröffentlichen, da er zumindest einen groben Einblick in mein Leben hier ermöglicht....
Und bald kommen dann die detaillierteren Blogeinträge über die Kinder und den Geigenunterricht hier, sie sind schon seit längerem in Arbeit, brauchen aber noch ein kleines bisschen.... ;)



Hier in Horizonte Azul bin ich hauptsächlich für den Geigenunterricht an der Escola de Resiliência zuständig. Im Moment gebe ich allen 25 Kindern der 2. Klasse 30min Einzelunterricht. Nach dem Jahreswechsel werde ich sie in Zweierpaaren zusammen jeweils zweimal die Woche Unterrichten. Geigenunterricht gebe ich Montag, Dienstag und Mittwoch den ganzen Tag und Donnerstag den Nachmittag. Montag und manchmal wenn etwas Bestimmtes ansteht wie jetzt gerade zum Beispiel ein Theaterstück, was geprobt wird, bin ich morgens vor 10:00 noch im Hauptunterricht der 2. Klasse dabei. Neben den 2. Klässlern unterrichte ich auch noch ein Mädchen aus der 3.Klasse und 5 Hortkinder, deren Stunden ich jeweils noch vorher oder nachher an meinen Unterricht, der von 10:00-15:00 geht hänge.
Freitags arbeite ich morgens im Garten, der Horta Produtiva und kümmere mich dort hauptsächlich darum das Fladenpräparat zu rühren und dann auf der ganzen Anbaufläche von circa einem Hektar auszubringen. Danach bleibt meistens noch ein wenig Zeit um dem Gärtner beim Unkrautjäten zu helfen. Nachmittags bin ich mit in einer Hortgruppe, der Sala de Jô, 12-14jährige von denen ich auch 3 im Geigenunterricht habe. Dort begleite ich einfach nur den Alltag mit.
Ansonsten haben wir hier pro Woche 3 unterschiedliche Besprechungen. Dienstag Nachmittag Besprechung aller Mitarbeiter der Escola de Resiliência, Donnerstag Vormittag Besprechung der internationalen Freiwilligen, wir sind insgesamt 7 hier in Horizonte und Donnerstag Nachmittag Großversammlung aller Mitarbeiter des Nucleos Horizonte Azul.
Nachmittags bleibe ich manchmal noch etwas länger und rede mit den beiden Lehrerinnen der 2. Klasse über die Kinder, den Unterricht oder letztens habe ich mit ihnen einen Kanon geübt.
Was den Geigenunterricht betrifft, arbeite ich ganz selbstständig, gestalte ihn frei und gehe selber die Kinder holen, die dran sind, allerdings helfen mir die beiden Lehrerinnen wenn Kinder mal nicht wollen, aber meistens ändere ich dann einfach nur die Reihenfolge und später kann ich sie dann doch ohne große Probleme mitnehmen. Insgesamt habe ich ein sehr gutes Verhältnis zu den Kindern, sobald ich in den Pausen in die Klasse komme, stürmen sie auf mich zu und viele fragen immer wieder, ob sie diese Woche nochmal Stunde machen können...
Ich habe zwar hauptsächlich meine ganz eigene Arbeit aber ich habe trotzdem einen guten Kontakt zu vielen anderen Mitarbeitern von Horizonte Azul, die Atmosphäre dort ist sehr offen und freundlich.
Sehr wohl fühle ich mich hier im täglichen Zusammenleben mit allen Freiwilligen von Horizonte Azul. Unsere Gastmutter Silvana ist einfach unglaublich freundlich und gutmütig, sie steht uns für Alles zur Seite und wir können immer bei ihr vorbeikommen und werden warm empfangen. Es ist einfach netten Kontakt mit den Mitarbeitern und generell den Brasilianern zu haben, aber der Kontakt ist eben auch locker und offen, im Moment der Begegnung. Engere Freundschaften zu gleichaltrigen Brasilianern habe ich zum Beispiel noch nicht aufgebaut, aber ich habe das Gefühl, dass ich von Tag zu Tag immer mehr ankomme und immer mehr richtig hier im Leben bin.
Wir haben in und um São Paulo ein großes Netz von Freiwilligen und mit vielen verstehe ich mich super gut und so unternehmen wir an den Wochenenden häufig etwas in kleinen Gruppen oder besuchen uns einfach nur so an unseren Einsatzorten und tauschen uns über unser Leben aus.

Meine größte Hürde, die ich die ersten Wochen vor mir hergeschoben habe, war es den Geigenunterricht anzufangen. Ich hatte großen Respekt und auch etwas Angst davor, da ich mir nicht genau vorstellen konnte, wie ich den Unterricht machen sollte. Sehr geholfen hat es mir in der Musikschule in Monte Azul zu hospitieren, ich hatte richtig Glück und habe dort gerade auch die erste Unterrichtsstunde von einem Jungen miterleben können. So habe ich ein klareres Bild bekommen aber die ersten Unterrichtsstunden waren trotzdem schwer, da die Kinder teilweise noch so klein sind und große Schwierigkeiten mit Konzentration, Koordination und der Haltung hatten. Mit der Zeit habe ich dann immer mehr Übungen gefunden, die ihnen helfen und sie so Freude am Unterricht haben können und wir langsam immer mehr ins Geigenspielen reinkommen. Jede Unterrichtsstunde ist eine neue Herausforderung, aber dadurch dass es immer ein kleiner Kampf ist entstehen auch die größten Höhepunkte. Insgesamt ist es eine sehr erfüllende Arbeit, diesen ganz direkten Kontakt und die Interaktion mit den Kindern zu haben und zu sehen, was erstaunliches in einer Unterrichtsstunde passieren kann und wie die Kinder dabei schaffen über sich hinauszuwachsen.
Allmählich habe ich die Sicherheit erreicht, dass ich ganz spontan auf die Kinder reagieren und immer etwas passendes für den Moment finden kann. Unterstützung und Inspiration hole ich mir auch hin und wieder bei Renate, der Gründerin der Musikschule in Monte Azul und Oliver dem ehemaligen Eurythmielehrer der Escola de Resiliência.
Eine weitere Herausforderung war die Sprache. Am Anfang war es für mich sehr schwer nicht zu verstehen, was Menschen genau von mir wollen und mich auch selber nicht richtig ausdrücken zu können, so habe ich mich etwas in mir eingesperrt gefühlt, an der Seite stehend. Aber tatsächlich habe ich mich recht schnell in das Portugiesische einhören können und nach circa 3 Wochen konnte ich kleine Konversationen führen. Allmählich kann ich eigentlich alles irgendwie kommunizieren und es bringt mir Freude auf Portugiesisch zu reden.
Am Anfang durch eine schwierige Zeit durchgegangen zu sein, in der ich mich nicht ganz zu Hause gefühlt habe, einfach nicht so viel Kraft hatte und noch nicht ganz präsent war, macht dass ich jetzt alles um so mehr schätze, was um mich herum ist. Es gab von Anfang an schon viele schöne Momente aber das Grundgefühl war immer wieder Unsicherheit und das Gefühl, dass ich mein Leben hier noch nicht ganz ergreifen kann.
Ein wichtiger Schritt war es als ich nach 4 Wochen meinen Geigenunterricht angefangen habe und dadurch einen viel direkteren und intensiveren Kontakt zu den Kindern aufbauen konnte. Außerdem hatte ich ab dem Zeitpunkt endlich eine feste Arbeit, einen eigenen Platz, eine konkrete Herausforderung, in die ich hineinwachsen konnte.
Nach einem weiteren Wendepunkt, zwei Monate nachdem ich angekommen bin, fühle mich einfach nur noch richtig glücklich diese Zeit hier verbringen zu dürfen. Eine so andere Lebensrealität kennen zu lernen, versuchen mitzufühlen und zu verstehen, was mir teilweise vorher noch total verrückt und fremd vorkam.
Allgemein hat sich jetzt ein Gefühl von Vertrautheit mit meiner Umgebung eingestellt, was von Tag zu Tag wächst und mir die Möglichkeit gibt neue Kraft zu schöpfen.
Besonders wertvoll ist für mich die Möglichkeit in meinen Geigenstunden hier zu lernen, der Mensch zu sein, der die Verantwortung für die Situation trägt und sie mit Sicherheit führt. Aber eben auch die Lockerheit dabei auf die zu Kinder reagieren und das zu finden, was sie gerade brauchen. Es ist total spannend zu versuchen sich in das Kind, was mir gerade gegenüber steht einzufühlen und zu versuchen seine Welt zu verstehen.

Für die Zukunft nehme ich mir vor noch mehr anderes schönes, was ich in meinem Leben kennen gelernt habe mit auf die Chácara (so wird unsere Einsatzstelle genannt) zu bringen und die Kinder und Jugendlichen dort miterleben zu lassen. Da sich meine Arbeit im Moment sehr auf den Geigenunterricht fokussiert hat und eigentlich auch all meine Zeit davon beansprucht ist.
Die Form dafür ist mir noch nicht ganz klar, aber danach will ich für die nächsten Monate suchen.

Samstag, 29. September 2018

Kinderbilder


Gestern habe ich von vielen Kindern aus meiner Klasse (die 2. Klasse, aus der ich allen Kindern dieses Jahr lang Geigenunterricht gebe) selbst gemalte Bilder als Geburtstagsgeschenk bekommen. Über diese Gesten habe ich mich wirklich unglaublich gefreut, denn ich hatte überhaupt gar nichts erwartet, da ich an meinem Geburtstag gar nicht in der Schule sein konnte. Den ganzen Donnerstag haben wir Monte Azul Freiwilligen nämlich auf der Policia Federal zur Ausländerregistrierung verbracht und die Lehrerinnen meiner Klasse hatten mir dann gesagt ich solle am Freitag kurz zur Verabschiedung vorbeikommen, damit sie mir wenigstens ein Geburtstagslied singen können.
Naja es gab dann nicht nur ein sehr laut geschrienes Lied, viel Rufen und Umarmungen, sondern auch noch einen von ihnen selbstgebackenen Apfelkuchen und eben viele Bilder.
Einige davon möchte ich hier einmal teilen, sie sind wirklich interessant, denn man kann die Kinder so gut darin wiedererkennen und vielleicht ist es sogar möglich sich dadurch eine Vorstellung von ihnen zu machen, auch wenn man sie gar nicht kennt.
In der Klasse sind 24 Kinder, viele sind im Moment noch 7, manche 8 und einer schon 9 Jahre alt.
Es gibt ganz verschiedene Kinder, unterschiedlich weit in körperlicher sowie auch intellektueller Entwicklung, manche können schon recht flüssig lesen, andere haben riesen Probleme dabei, einige haben auch mit Koordination noch Probleme und es fällt ihnen schwer zu verstehen und sich dran zu erinnern auf welche Seite zum Beispiel die Geige gehört, ein paar sind ganz schüchtern und reden ganz wenig andere wie ein Wasserfall einige total hibbelig, ständig in Bewegung und ich habe beim Geigenunterricht immer ein bisschen Angst, dass die Geige herumfliegen wird, andere verträumt, langsam, ruhig, naja und eben auch alles dazwischen auch gemischt und häufig unterschiedlich von Tag zu Tag.

 (es wurde im Unterricht gerade intensiv die Maispflanze behandelt;))

 (eines erstaunt mich: tatsächlich malen die Kinder hier ganz ähnlich wie in Deutschland, Haus, Baum daneben und Sonne am Himmel. Dass sie alle Häuser mit spitzem Dach malen verwirrt mich allerdings, denn solche Häuser gibt es hier eigentlich in den Wohnvierteln gar nicht, nur auf der Chácara, dem Gelände, wo auch die Schule ist, gibt es für jede Klasse und jeden Arbeitsbereich ein kleines Haus und die haben leicht spitze Dächer und ein anderes habe ich neben der deutschen Botschaft gesehen ;))



 (wie bewegt sich wohl ein Kind was so malt, wie redet es und was tut es im Unterricht??)

 (und ganz anders ist dann zum Beispiel das Kind, welches dieses Bild gemalt hat)




Also dies einmal als kleinen ersten  Eindruck von hier und besonders von den Kindern mit denen ich jeden Tag arbeite.
Allgemein fühle ich mich hier sehr wohl und mir gefällt meine Arbeit sehr!
Darüber werde auf jeden Fall bald genauer berichten....

Ein ganz riesig großes Dankeschön an alle Menschen, die mir geholfen haben den Weg zu diesem Jahr vorzubereiten und besonders an Alle die mir für meinen Unterstützerkreis geholfen haben!
Ich bin sehr glücklich und dankbar über alle Erfahrungen, die ich hier machen kann, freue mich und bin sehr gespannt auf den weiteren Teil des Jahres..... :)
Herzliche Grüße in die Welt, Jola